Marktplatzplauderei

Marktplatzplauderei

Mitten aus dem Lehrer*innen-Leben

Transkript

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00:00:00: Miriam: Wir sorgen täglich oder wöchentlich dafür, dass wir uns bewegen, dass wir uns gesund ernähren, dass wir irgendwie Sport machen, aber dieser Muskel der mentalen Gesundheit wird nicht trainiert.

00:00:13: Da liegt gar nicht so der Fokus drauf und eben diese Natürlichkeit dessen, dass das einfach super super wichtig ist.

00:00:21: Music.

00:00:30: Judith: Willkommen bei der Marktplatzplauderei, dem Podcast von eduki.com/de. Hier sprechen wir mit spannenden Lehrerinnen und Lehrern, mit Meinungsmachern aus der Bildungsbranche über ihre Herzensthemen. Unsere Gäste verraten ihre besonderen Tipps, Tools und

00:00:46: best practice. Und das Beste daran, ihr könnt jede Menge für euch mitnehmen!

00:00:51: Ich bin Judith und freue mich sehr, Host dieses Podcasts zu sein. Hallo und herzlich willkommen zur Marktplatzplauderei. Ich verrate hier nichts Neues, wenn ich noch einmal herausstelle, dass der Lehrer*innenjob

00:01:04: das Berufsfeld

00:01:05: mit der höchsten Burnout-Quote ist. Für mich ist das auch nicht wirklich überraschend und ich denke die Gründe sind sehr vielfältig. Ich will mal eine Sache herauspicken. 

00:01:14: Als Lehrer*in trete ich ständig in Beziehung zu anderen Menschen, muss versuchen, Resonanzen herzustellen, gut zu kommunizieren und dabei auch auf meine eigenen Bedürfnisse achten und da

00:01:27: wird es meistens schwierig. Ich möchte mich heute mit dem Thema "Mentale Gesundheit, mental health"

00:01:33: beschäftigen und habe dafür eine tolle Expertin gefunden. Herzlich willkommen, liebe Miriam.

00:01:39: Miriam: Hi, herzlich willkommen! Beziehungsweise hallo an alle. Judith: Wir starten mit unserer Kennenlernrunde "1 vor 8". Ich stelle dir ein paar Fragen und du sollst so schnell wie möglich antworten. Dafür haben wir eine Minute Zeit. Miriam: Ich bin startklar.

00:01:53: Judith: Alles klar, wir legen los. Ich wohne im schönen Bundesland ... Miriam: Berlin. Judith: Zur Schule gegangen bin ich in ... 

00:02:02: Miriam: Wallerfangen im Saarland. Judith: Zum Frühstück gab es heute ... Miriam: Noch nichts. Judith: So entspanne ich richtig gut .. 

00:02:11: Miriam: In Ruhe. Judith: Mein Lieblingstool auf meinem Smartphone ist ...

00:02:16: Judith: Headspace, eine Meditationsapp. Judith: Nachteule oder Frühaufsteherin? 

00:02:25: Miriam: Ein Mittelding davon. Judith: Was möchtest du als nächstes lernen? 

00:02:31: Miriam: Oh, das ist eine gute Frage, auf die ich spontan jetzt antworten soll.

00:02:37: Wahrscheinlich im Moment aktuell noch ein bisschen mehr auf mein Bauchgefühl zu hören. Judith: Meine Schulzeit war ...

00:02:45: Miriam: Anstrengend. Judith: Ich bin ein großer Fan von ... Miriam: In Kontakt treten mit Menschen. 

00:02:55: Judith: Eine schöne Antwort. Das war es. Unsere Minute ist um. Miriam, bevor wir einsteigen, möchte ich noch gerne eine Triggerwarnung loswerden. 

00:03:05: Wir werden uns über mentale Gesundheit austauschen und können das Thema hier sicherlich nur anreißen. Wenn ihr selbst oder jemand in eurem direkten 

00:03:13: Umfeld sich in einer Notsituation befindet, dann empfehlen wir euch natürlich, dass ihr euch an eure Ärztin wendet oder an die Telefonseelsorge unter der Nummer 0 800 1

00:03:26: 110111. So und jetzt steigen wir beide ein.

00:03:33: Miriam, die Begriffe "mental health" und "mindfulness" haben sich in letzter Zeit ja ziemlich verbreitet. Was verstehst du darunter? 

00:03:42: Miriam: Unter mentaler Gesundheit zählt für mich alles, was wir

00:03:46: selber tun müssen und auch selbst in der Verantwortung stehen, um langfristig eben nicht nur körperlich, sondern auch psychisch gesund zu bleiben.

00:03:54: Judith: Und das ist auch in diesem Begriff "mindfulness" drin? 

00:03:58: Miriam: Genau, also der Begriff Achtsamkeit ist sozusagen eher ein Tool, um mental gesund zu bleiben. Denn wenn wir es schaffen, eine souveräne, 

00:04:09: gelassene Grundhaltung zu bekommen, die wir durch Achtsamkeit, also "mindfulness" erlernen können, sorgen wir natürlich präventiv sehr dafür, mental gesund zu bleiben. 

00:04:20: Judith: Das ist ja in den meisten Fällen so, übrigens vor allem bei Lehrer*innen, dass man zwar Erschöpfung wahrnimmt, aber dennoch einfach weiterläuft. Was sind für dich klassische Anzeichen dafür, dass man sich eine Pause gönnen sollte? 

00:04:35: Miriam: Oh, das ist ganz, ganz unterschiedlich, aber meistens spricht da der Körper eine lautere Sprache als die Gedanken. Also häufig merken wir da erste Symptome

00:04:45: in Form von Verspannungen oder Kopfschmerzen oder tatsächlich sogar Lebensmittelunverträglichkeiten. Dann sind Symptome, dass man abends,

00:04:55: vielleicht so kurz vor dem ins Bett gehen, denkt: "Was habe ich heute eigentlich gemacht?". Also gar nicht mehr achtsam durch den Tag gegangen ist, sondern eigentlich in einem

00:05:02: starken Funktionsmodus läuft. Das bedeutet, dass das Gehirn nicht genügend Zeit hat, um abzuspeichern und bewusst wahrzunehmen und läuft eigentlich zu schnell und zu heiß. 

00:05:14: Dann kommen wirklich diese Symptome wie schlechter Schlaf, zu viele Gedanken, also dieses

00:05:20: klassische Overthinking, also dass man aus bestimmten Gedanken nicht mehr rauskommt, Appetitverlust oder tatsächlich so eine Überkompensation, wie man braucht abends sein Gläschen Wein, um runterzukommen. Oder man vernachlässigt Sport, vernachlässigt Freunde, zieht sich wirklich zurück, weil man nicht mehr kann. 

00:05:38: Das waren jetzt schon eine ganze Menge, aber wenn die auch schon einzeln

00:05:43: auftreten, sollte man auf jeden Fall hellhörig werden und gucken, dass man da ein bisschen mehr Selbstfürsorge in den Alltag integriert. 

00:05:50: Judith: Und jetzt hast du mir schon was Neues beigebracht, weil ich immer so dachte, bevor es überhaupt zu diesen richtigen körperlichen Reaktionen 

00:05:57: kommt, also sprich, dass sich das auch mit Kopfschmerzen oder irgendwie mit Verdauungsproblemen oder weiß ich nicht was äußert, kommen erstmal eigentlich vorher so

00:06:06: Befindlichkeiten, sage ich jetzt mal, sowas wie Erschöpfung, die ich wahrnehme oder sowas.

00:06:12: Miriam: Also das ist total interessant, weil die meisten diese Erschöpfung gar nicht wahrnehmen, weil die denken, es ist normal. 

00:06:18: Wir haben die Erwartung von uns, durch den Tag zu rasen und die Dinge zu erledigen, die uns sozusagen von außen auf unsere To-Do-Liste geschrieben werden, von Arbeitgebern, von Kollegen, von eigentlich allen Mitmenschen um uns herum

00:06:31: und denken: "Natürlich, im Moment ist ja jeder erschöpft." Aber das ist nicht der Normalzustand. So sollte es nicht sein. Von daher gehen wir häufig darüber hinweg und dass wir dann

00:06:41: einen stechenden Kopfschmerz bekommen. Das ist dann sozusagen das Signal des Körpers zu sagen: "Oh stopp!"

00:06:48: Das ist schon ein ziemlich starkes Signal. Denn das kann bedeuten, wir haben wirklich zu wenig getrunken, wir sind so verspannt muskulär, dass unser Körper sagt: "Ey, rette mich! Es ist zu viel. Ich brauche irgendwie ein bisschen mehr Leichtigkeit und Lockeres."

00:07:02: Von daher ist es bei den meisten so, die sehr im Funktionsmodus sind, körperliche Signale, die zuerst oder die klar wahrgenommen werden, um dann dem Impuls zu folgen.

00:07:12: Judith: Wie unterscheiden sich denn jetzt diese ersten Anzeichen einer Erschöpfung von einer Depression?

00:07:20: Miriam: Also eine Depression, die diagnostizierbar ist, hat ganz viele Symptome. Die sind schon sehr weitreichend.  Wenn Psychotherapeuten Depressionen diagnostizieren, gehören insgesamt

00:07:30: über 20 Symptome dazu, von denen bestimmte Symptome über 2 Wochen

00:07:36: mindestens täglich auftreten müssen. Da kann man sehr gut im ICD 10 oder jetzt kommt ICD 11 nachgucken. Das ist unser Klassifikationssystem, in dem wir ganz klar festgelegt haben, welche

00:07:46: Symptome zu einer Depression gehören. Da genau ist auch der schmale Grat zu sagen, das ist noch keine Depression, aber du musst aufpassen, weil es knapp dran ist 

00:07:55: oder das ist wirklich schon diagnostizierbar oder das ist eine Erschöpfung, weil du seit zwei Wochen nicht wirklich auf dich aufpasst hast. 

00:08:07: Wenn zum Beispiel über einen längeren Zeitraum so eine Hoffnungslosigkeit oder so ein Interessenverlust oder wirklich so dieser Rückgang von sozialen Interessen, so dieses ich gehe nicht mehr raus und so eine Schwermütigkeit, wenn das

00:08:19: sozusagen so ein Teil von der Person wird, dass es nicht mehr von sich abzuspalten ist,

00:08:25: dann geht es wirklich eindeutig in Richtung Depression. Es muss aber wirklich immer

00:08:30: individuell diagnostiziert werden, weil ich jetzt nicht sagen kann: "Das und das ist das bei dir.", sondern das ist eine Mischung aus bestimmten Dingen oder Symptomen, die zutreffen müssen, damit es diagnostizierbar ist. 

00:08:40: Judith: Okay und diese Anzeichen sind jetzt bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen immer gleich oder die unterscheiden sich nicht sonderlich, oder? 

00:08:49: Miriam: Doch, die unterscheiden sich schon. Also bei Kindern können Depressionen tatsächlich anders geäußert werden. Auch in Rückzug zum Beispiel, aber auch eher, dass sie nicht mehr so viel essen, Schlafstörungen oder dass sie sich

00:09:02: einfach anders verhalten. Aber es kann auch sein, dass die ein bisschen aggressiv werden oder dass sie einfach in ihrer Art und Weise sehr angespannt sind und Ventile finden müssen, um diese Emotionen loszuwerden. Also das kann man auch da nicht so pauschal sagen. Es gibt zwischen

00:09:16: kindlichen Depressionen und erwachsenen Depressionen wirklich Unterschiede. 

00:09:20: Judith: Interessant. Die Gründe für Erschöpfung oder dem Bedürfnis nach Pausen, die können ja sehr vielfältig sein, ne? Also so besondere Erlebnisse, vielleicht sogar Schicksalsschläge, Überforderung, große Veränderungen oder Neuorientierung, Konflikte und oftmals sind diese

00:09:38: der Auslöser, sich Unterstützung, also einen Coach zu suchen oder eine Therapie zu beginnen. 

00:09:47: In meinem privaten und beruflichen Umfeld ist es mittlerweile so, dass es diese Auslöser gar nicht mehr geben muss, sondern dass man sich aktiv dazu entscheidet, sich begleiten oder coachen zu lassen.

00:09:58: Inwiefern ist das auch der richtige Ansatz oder Weg und inwiefern macht das bei Kindern und Jugendlichen auch Sinn?

00:10:06: Miriam: Oh, das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt und dass du das jetzt so sagst, ist für mich ein total tolles Zeichen, weil das bedeutet, da ist was in Bewegung. Eigentlich kommen wir, vor allem wir im deutschsprachigen Bereich, aus einer Kultur,

00:10:19: die Schwäche nicht zulässt. Das heißt, es wird gewartet und gewartet und gewartet und ich habe auch wirklich merkbar vor 3 bis 4 Jahren

00:10:28: eher Menschen in meiner Praxis gesehen, die wirklich schon schwer belastet waren, also sehr spät kamen. Dann kann man psychotherapeutisch häufig gar nicht mehr so viel machen. Man muss dann wirklich erst mit Medikamenten reingehen, damit irgendwie überhaupt diese Basis, um ein Gespräch aufnahmefähig zu machen, gelingen kann. 

00:10:44: Von daher ist dieses frühe Merken: "Oh, ich rutsche womöglich rein", dieses Präventive wahnsinnig wichtig und wahnsinnig gesund, weil dann viel mehr gemacht werden kann. Die Selbstwahrnehmung, dass wir in einer belastenden Situation sind und dass sind wir

00:10:59: aktuell natürlich durch Corona oder auch eben durch den extremen Medienkonsum, auch gerade bei Kindern und Jugendlichen, diese totale Überforderung der Geschwindigkeit der Gesellschaft, diese Eindrücke, alleine was unser Gehirn zu verarbeiten hat

00:11:12: an Reizen, das hat sich in den letzten 20 Jahren enorm verändert, also sehr in eine negative Richtung. 

00:11:20: Wahrzunehmen, dass das zu viel ist und nicht mitrennen zu müssen mit dem Gros unserer Gesellschaft, die sagen, das ist normal, gehört eben dazu, das ist genau dieser Wendepunkt. Da

00:11:31: kommt natürlich diese auch 

00:11:34: medial vertretene Achtsamkeitsmeditationswelle in Anführungszeichen, die präventiv dafür sorgen kann, mehr Achtsamkeit darauf zu legen, wie es mir eigentlich geht. Das heißt, wir erlauben uns dadurch

00:11:47: regelmäßige Self-Check-Ins, um uns zu fragen,

00:11:52: bin ich hier auf dem richtigen Weg, wie kann ich besser mit mir umgehen oder auch dieses Infrage stellen. So dieser

00:11:58: Medienkonsum oder dieses Social Media, was macht das eigentlich mit mir? Weil man dadurch natürlich wahrnimmt, wenn man irgendwie eine Stunde auf Instagram war, zu merken,

00:12:07: mir geht's nicht unbedingt besser. Das heißt, da muss ja eine Ursache sein und das zu hinterfragen, ist wahnsinnig wichtig. 

00:12:14: Da finde ich zum Beispiel kriegen wir, wenn wir in der richtigen Bubble sind oder uns auch darüber informieren, schon wirklich auch richtig gute Infos, auch mittlerweile natürlich durch die Tagesschau, die Tagesthemen, indem Studien jetzt ganz klar werden, 

00:12:26: dass der Medienkonsum viel zu hoch ist, dass Kinder und Erwachsene viel zu viel Screentime haben, also viel zu viel auf das Handy gucken oder eben auf den Laptop gucken. 

00:12:36: Dass soziale Kontakte zurückgehen, weil sich Menschen

00:12:39: zu viel mit TikTok oder mit sonstigen Social Media-Sachen beschäftigen und dass das natürlich nachhaltig schlechte Wirkung für die psychische Gesundheit hat. 

00:12:49: Judith: Also ich würde gleich noch mal gerne mit dir über so Sachen sprechen, die man selber eigentlich auch schon machen kann. Aber lass mich noch mal zurückkommen zu diesem Punkt, sich auch

00:13:00: coachen zu lassen und in Therapie zu begeben oder so. Inwiefern du das auch favorisierst in dem Sinne, 

00:13:09: warum erst wenn es zu spät ist, warum nicht einfach schon vorher, weil das gute Impulse einfach bringt und meine Frage war noch so ein bisschen, hältst du das auch für sinnvoll bei Kindern und Jugendlichen? 

00:13:24: Miriam: Also ich finde dieses Beschäftigen mit sich selbst, in Form von einer Beratung, in Form von Meditationskursen, teilweise auch von der Krankenkasse übernommen,

00:13:39: bringt uns natürlich dazu, mehr Achtsamkeit auf uns zu legen und ich finde das sollte eigentlich so stark genutzt werden wie das Fitnessstudio. Wir sorgen täglich oder

00:13:51: wöchentlich dafür, dass wir uns bewegen, dass wir uns gesund ernähren, dass wir irgendwie Sport machen, aber

00:13:57: dieser Muskel der mentalen Gesundheit wird nicht trainiert.

00:14:02: Beziehungsweise liegt da gar nicht so der Fokus drauf und eben diese Natürlichkeit dessen, dass das einfach super, super wichtig ist.

00:14:10: Wenn wir dieses Mindset bei Kindern schon

00:14:13: implementieren und einen Fokus auf diese Wichtigkeit der Selbstfürsorge legen, bedeutet das natürlich, dass wir den Kindern ermöglichen, auch dann später, wenn sie in den Beruf starten oder anfangen zu studieren oder was auch immer,

00:14:27: immer wieder die Möglichkeit sehen, weil sie eben das gelernt haben, dass da ein wichtiger Faktor ist, Pausen einzulegen, auf sich zu achten.

00:14:36: Die Geschwindigkeit der Gesellschaft wird immer schneller und dagegenzuhalten ist unsere Aufgabe und das können wir als Erwachsene Kindern

00:14:45: wirklich richtig gut mitgeben und da sehe ich tatsächlich auch eine große Chance für Lehrer*innen, das

00:14:51: sozusagen vorzuleben, dass sie selbst Pausen machen, selbst achtsam sind, dass sie zwischendurch anhalten und tief durchatmen oder Kindern erstmal erklären, wie man richtig atmet.

00:15:00: Durch die Nase ein, durch den Mund aus, vielleicht die Hände auf den Bauch legen, zu merken, tiefe Atmung bedeutet, die geht in den Bauch, das ist im Bauch spürbar. Um damit dieses Bewusstsein auf: 

00:15:10: "Ja, ich brauche jetzt eine Pause, also nehme ich mir die auch." Also diese Selbstverständlichkeit von der Selbstachtung mehr zu integrieren und da sehe ich eine riesen Chance. 

00:15:20: Judith: Und wenn jetzt jemand vielleicht inspiriert auch von diesem Podcast denkt, ich

00:15:24: glaube, ich würde mich gerne da auch noch ein bisschen mehr begleiten lassen, jetzt sagen wir mal im Rahmen einer Psychotherapie oder eines Coachings. Wie ist da eigentlich so der Ablauf? Also gehe ich dann zuerst zu meinem

00:15:36: Hausarzt oder Hausärztin? 

00:15:39: Miriam: Psychotherapie ist in echt schwieriges Thema, denn die Bedarfsplanung, also das heißt, es wurde sozusagen festgelegt, wie viele Patienten pro Stadt einen Therapieplatz haben dürfen, das ist schon ewig her, aber das heißt, es gibt sozusagen viel zu wenige Therapieplätze. 

00:15:55: Es gibt aber definitiv genügend Therapeuten.

00:15:58: Also das ist so ein bisschen die Krux. Total verrücktes System. Ich glaube, wenn wir uns jetzt darüber unterhalten wird das ein negativer Podcast. 

00:16:07: Also es ist wichtig, erstmal bei der Krankenkasse nachzufragen. Es gibt die Website der

00:16:14: Kassenärztlichen Vereinigung. Da kann man auf Therapeutensuche gehen, auf Stadtteil gehen und sich Therapierichtungen aussuchen und da erst mal anmelden, informieren. Man kann auch über den Hausarzt gehen, aber in den meisten Fällen braucht man gar keine Überweisung mehr, sondern kann sich gleich über diese Kassenärztliche Vereinigung melden. 

00:16:31: Wenn man privatversichert ist, was ja irgendwie auch gerade im Lehrerbereich immer noch 

00:16:36: durchaus sein kann, kann man sich seinen Therapeuten aussuchen. Auch da spaltet sich natürlich wieder die Gesellschaft. Gesetzlich Versicherte haben es

00:16:45: schwerer als Privatversicherte, aber da würde ich raten, auf therapie.de zu gehen und

00:16:52: sich wirklich zu informieren und da auch sehr aufs Bauchgefühl zu hören. Dann geht man dahin und das Wichtige ist, ich weiß, dass es schwer ist, einen Therapeuten zu finden, aber wenn man das Gefühl hat, dass matched nicht, man kann nicht vertrauen, 

00:17:05: geh weiter auf die Suche. Denn dieses Vertrauen und dieses sich Aufgehoben fühlen und das Gefühl haben, da ist ein sicherer Ort, ist wirklich für mich so die

00:17:15: absolute Grundlage, um an diese Themen zu kommen, die uns wirklich berühren und uns wirklich geprägt haben, weil sonst ist es nicht wirklich greifend.

00:17:23: Judith: Okay. Miriam: Coaching oder Beratung, auch der Begriff ist nicht geschützt, also jeder Mensch kann sich Coach nennen, jeder Mensch kann sich auch Psychotherapeut nennen.

00:17:35: Ganz, ganz wichtig darauf zu achten, dass es psychologische Psychotherapeuten sind. Auch Heilpraktiker dürfen sich Psychotherapeuten nennen. Finde ich ein bisschen tricky, aber das ist auch

00:17:46: eine große Diskussion in Deutschland. Bei Coaches ist es so, dass ich da sehr darauf achten würde, dass die eine staatlich anerkannte Ausbildung haben. 

00:17:56: Es gibt da definitiv Qualitätskriterien, aber auch da ist das Bauchgefühl super wichtig. Ich finde der Auftritt, das erste Gespräch ist wichtig. Die meisten bieten

00:18:04: ein kostenloses Kennenlerngespräch an. Das mache ich auch. Ich mache immer 20 Minuten kostenlos und dann entscheiden wir beide, ob wir zusammen arbeiten können oder nicht, weil

00:18:12: es für mich als Couch oder Therapeutin auch wichtig ist, einen Zugang zu finden. 

00:18:17: Einige kommen auch, weil sie sozusagen den Auftrag haben, lass dich mal beraten, mach mal eine Therapie. Das bringt nichts. 

00:18:24: Man muss da schon selbst mit dem Willen kommen, an sich zu arbeiten, denn es gibt keine Pille, die sagt, morgen wird das schon, sondern man steht da selbst in der Verantwortung. 

00:18:34: Judith: Ich habe bei dir, ich meine auf deinem Insta-Channel gelesen: "Stress hat man nicht,

00:18:40: Stress macht man sich". Und ich habe darüber mit einer Freundin, die auch Lehrerin ist, diskutiert. Wir fühlen uns dabei nicht so wohl,

00:18:48: weil es werden ja von außen so viele Dinge an uns herangetragen und die erzeugen den Stress. Wir bilden uns das ja nicht ein, ne. Der ist real und jetzt liegt

00:18:59: es noch an uns, selbst diesen Stress

00:19:03: uns nicht zu machen, obwohl doch eher dieser Stress an uns herangetragen wird. Jetzt löse das doch bitte mal auf! Miriam: Dieser Post wurde wirklich sehr kontrovers diskutiert.

00:19:16: Also Stress ist das, was mit deiner Bewertung zu tun hat.

00:19:20: Wenn wir lernen, uns in bestimmten Stressmomenten abzugrenzen und zu sagen: "So Moment, das möchte ich nicht", haben wir sozusagen die Wahl, 

00:19:29: Dinge zu unserem Stress zu machen oder nicht. Es geht gar nicht darum, dass wir in einer Welt voller Stressoren leben. Natürlich! Aber die Bewertung dessen und der Umgang dessen liegen bei uns. 

00:19:38: Das heißt, wenn du jetzt im Gespräch mit deiner Freundin, wenn ihr darüber sagt: 

00:19:46: "Der Stress kommt von außen auf uns zu." Dann begebt ihr euch in die Opferrolle

00:19:51: und in der Opferrolle kommt man nicht ins Tun und dieses Tun ist zwangsläufig wichtig, um Dinge zu verändern. Das bedeutet, um Dinge zu verändern, müssen wir aus unserer Komfortzone. Das bedeutet in eurem Fall vielleicht, euch mehr mit dem Thema Abgrenzung auseinanderzusetzen 

00:20:05: oder wirklich zu gucken, wie kann ich

00:20:08: über den Tag dafür sorgen, dass ich kleine Ruheinseln schaffe. Und das bedeutet vielleicht wirklich nur, in der Pause durchzuatmen, 

00:20:17: irgendwas mehr zu machen als gestern oder Dinge, also auch Fünfe gerade sein zu lassen. Menschen, die zu Perfektionismus neigen, 

00:20:27: sorgen letztendlich auch dafür, dass sie mehr Stress haben. Das heißt, das Hinterfragen dieses Perfektionismus ist das wichtige. 

00:20:33: Versucht da eher an die Grundlagen zu gehen und euch nicht dem System zu ergeben.  Also so zu sagen, ich kann gegen den ganzen Stress nichts machen, das System rieselt auf mich ein und ich werde dadurch krank. Nee, es ist an uns

00:20:44: zu sagen: "So, stopp! Ich möchte diesen Stress nicht" und sorge dafür, dass dieser Stress auch nicht zu meinem wird.

00:20:51: Judith: Ja, genau darauf möchte ich im Prinzip jetzt auch noch mal hinaus. So dieses: Was kann ich selber denn eigentlich im Kleinen schon machen? Und vielleicht fangen wir da jetzt auch noch mal an mit diesen kleinen Gewohnheitsänderungen oder Micro Habits. Dazu hast du ja auch ein Buch geschrieben. Das heißt: Kleine Schritte mit großer Wirkung. Erzähl mal ein bisschen darüber.

00:21:12: Miriam: In dem Buch geht es vor allem darum, wie du selbst verantwortlich zufriedener wirst und eigentlich genau darum,

00:21:20: worüber wir gerade gesprochen haben, über diesen Post zum Beispiel. Dass wir selbst eigentlich jeden Augenblick wieder damit anfangen können,

00:21:28: achtsamer zu sein und jetzt einen kleinen Schritt zu gehen, einen Micro Habit in unserem Alltag zu integrieren, um an ein höheres Ziel zu kommen, dass da zum Beispiel Zufriedenheit ist. 

00:21:39: Oder das bedeutet, ich möchte heute Abend nicht so müde sein oder ich möchte eine Mittagspause machen, weil ich Erholungszeit brauche.

00:21:46: Habits, also Gewohnheiten, bedeutet in dem Fall, und das beschreibe ich da auch sehr, sehr klar, dass wir eine Art Inventur machen müssen. Wir haben durch die Zeit ganz viele Gewohnheiten oder haben uns ganz viele Gewohnheiten angeeignet, wie zum Beispiel, dass wir häufig 

00:22:01: eine der ersten Handlungen morgens haben, das Handy zur Hand zu nehmen. Das heißt, wir geben uns dem hin, uns gleich von Nachrichten oder von Informationen aus der Welt

00:22:11: überschwemmen zu lassen, was bedeutet, wir können nicht achtsam in den Tag starten,

00:22:16: weil es ein Habit ist und wir denken, wir müssen erreichbar sein. Wir müssen nicht immer erreichbar sein, aber Dinge, die von uns erwartet worden sind in unserer Vergangenheit und wir durch Glaubenssätze so

00:22:28: internalisiert haben, die müssen hinterfragt werden und im Fall dann, dass sie eben schädlich sind, aussortiert werden. Und dafür

00:22:37: nützliche, zum Beispiel dieses kleine Micro Habit, was ich bestimmt

00:22:40: 20 Mal am Tag mache, ist dieser Self-Check-In. Was bedeutet, ich nehme wahr, wo ich sitze, irgendwie komisch, ich muss mich aufrichten, was bei mir

00:22:49: automatisch bedeutet, ich atme tief durch. Damit ist der nächste Fokus zu fragen:

00:22:56: Wie geht's mir denn eigentlich? Damit atme ich auch schon automatisch durch. Das heißt, ich habe da vier kleine Micro Habits integriert und wenn ich das 20 Mal am Tag mache, gebe ich meinem Gehirn

00:23:06: richtig Spielraum,

00:23:08: weil in der Zeit natürlich diese anderen Sachen runterfahren. Wir sind es gewohnt, 20 Tabs gleichzeitig auf zu haben in unserem Gehirn: Wir müssen das machen und dann essen wir und währenddessen checken wir noch das Handy oder reden noch oder klären noch und planen. 

00:23:21: Nee, wenn du isst, versuche, es wirklich achtsam zu machen, versuche, zu schmecken, versuche, zu riechen, versuche wirklich auch mal, wahrzunehmen, wie viel du kaust, wie du runterschluckst und ob dir das überhaupt schmeckt oder nicht. Also viele essen ja einfach, um

00:23:34: jetzt was zu sich zu nehmen. Damit schadest du dir und wenn wir das vielleicht nicht 15 Minuten während des Essens schaffen, aber davon vielleicht heute nur 2 Minuten und morgen vielleicht 3, 

00:23:44: haben wir viel mehr für uns gemacht als gestern. Das ist der Sinn dieser kleinen Schritte, wahrzunehmen, was ich jetzt machen kann, um ein bisschen

00:23:52: zufriedener, erholter, entspannter oder gelassener in meinem Leben zu werden.

00:23:57: Judith: Ich habe auch irgendwo von dir gelesen, ich weiß nicht, ob es auch im Buch drin ist, aber da sprichst du auch irgendwo von Energiespendern und Energieräubern, also sich die bewusst zu machen, ne. Also was spendet mir Energie und was raubt mir Energie und sich dann auch fokussieren zu können, ne. 

00:24:16: Miriam: Genau und im ersten Schritt ist da immer die Wahrnehmung, also das Bewusstwerden dessen. Wenn wir

00:24:22: merken, dass das jetzt gerade energieraubend ist und das vorher wissen oder währenddessen wahrnehmen, 

00:24:27: bedeutet das schon, wir können uns ein Stück weit zurücklehnen und überlegen: "Oh, ich merke, das ist gerade stressig. Ich muss auf mich aufpassen". Also auch die Haltung, auch die Körperhaltung ist in dem Moment wichtig, weil alles Signale an unser Gehirn sendet.

00:24:39: Judith: Und ich habe noch einen Punkt. Dieses Wetter, wir haben auch eben schon darüber gesprochen, eingangs in unserem Gespräch heute, ist wirklich ein bisschen schietig. 

00:24:49: Man kommt so bisschen in so eine motzige Haltung, ne. Und ich hatte das jetzt neulich auch mit einer Freundin, dass wir eigentlich so jeden Tag irgendwie so ein bisschen motzig unterwegs waren und dann haben wir irgendwann gesagt: "Nee, halt stopp!

00:25:02: Es muss an diesem Tag doch irgendetwas gegeben haben,

00:25:06: was toll war, wofür wir dankbar sind." Und dann haben wir wirklich angefangen, uns jeden Tag eine WhatsApp Sprachnachricht zu schicken und zu sagen, wofür waren wir heute dankbar,

00:25:18: weil es wird irgendetwas gegeben haben. Es ist wirklich

00:25:22: schön, weil das sind teilweise so kleine Sachen, wie ich habe heute meine Lieblingssocken angezogen. Miriam: Genau das! Genau sowas. Das ist auch ein Habit. 

00:25:32: Das ist ein wunderschönes Habit, sich das auch von der Freundin immer wiedergeben zu lassen, weil es immer leichter ist, dass zu zweit zu machen oder zu mehr zu machen, als sich da alleine dran zu setzen. Das ist schwieriger. Aber genau dieses, wenn wir morgens in den Tag starten, ohne das Handy zu nehmen und erst mal sagen: "So, 

00:25:49: auch wenn ich Kinder hab, ich gebe mir jetzt mal 20 Sekunden für mich, durchatmen, vielleicht auch mit den Kindern zusammen." 

00:25:58: Oder eben genau das auch für Lehrer*innen, ne. Morgens zu starten und drei Minuten mit der Klasse dazustehen und zu sagen: "So, wir kommen jetzt erstmal an."

00:26:06: Das ist ein sehr viel besserer Start, als irgendwie dieses Chaos regulieren zu müssen und selbst gleich in so einen Stressmodus zu verfallen, weil entweder der eine ist zu spät, der andere ist zu laut, die sitzen noch nicht. Also dieses 

00:26:18: "Wir können das regulieren!" Und dann auch zu sagen: "So, guck mal. Das hat doch gut geklappt." Dieses Loben

00:26:25: und eben auch einen Fokus auf Dankbarkeit zu haben oder auf die schönen Dinge und natürlich ist es grau draußen, aber wenn ich rausgucke, sind da trotzdem schöne bunte Blätter. Also momentan wirklich in

00:26:35: allem irgendwas finden, aber es ist in unserer Verantwortung, das auch sehen zu wollen und den Fokus darauf zu legen.

00:26:42: Judith: Was mir auch oft hilft, ist, mich auch nicht aufzureiben mit Dingen, die ich nicht ändern kann. Also das ist ja auch sowas, ne. Es gibt

00:26:52: einfach Dinge, auf die habe ich nicht so richtig direkten Einfluss, aber ich habe Einfluss darauf, wie ich sie betrachte.

00:27:00: Miriam: Ich stelle mir regelmäßig neue kleine Erinnerungen in meinen Kalender ein und zudem habe ich mir gestern zum Beispiel eingestellt: "Dann ist das eben so."

00:27:12: Das setzt für mich so einen Punkt. Dann ist das jetzt eben so

00:27:16: und das ist gar nicht bewertet. Also das ist gar nicht, das ist jetzt schlecht oder gut und dann ist das jetzt eben so. Das hat sowas Akzeptierendes. 

00:27:24: Und das ist übrigens super hilfreich, wenn man sich regelmäßig irgendwelche Reminder in den Kalender setzt oder Push-Nachrichten schreibt oder auf das Handy einen blauen Punkt klebt, der daran erinnert,

00:27:35: mal kurz innezuhalten und sozusagen sich vielleicht auch so ein paar Sätze vorher aufzuschreiben, die sinnvoll sind. Ein Satz, der

00:27:44: immer ganz, ganz viel auslöst oder ganz viel beruhigt ist: Probleme werden gelöst, wenn sie da sind." 

00:27:51: Wir lösen ganz oft im Jetzt Probleme, die in der Zukunft liegen. Sei es, wir sind entweder in der Zukunft oder in der Vergangenheit

00:27:58: und das bringt nichts. Das Spannende dabei ist, dass 80% der Probleme, die wir im Hier und Jetzt sehen, überhaupt nicht eintreffen. Das ist komplett verschwendete Energie und dieser Satz: "Pass mal auf, Probleme werden gelöst, wenn sie da sind. Jetzt ist gerade alles okay, weil ich jetzt atme."

00:28:09: Das macht die Welt in dem Moment einfach schon ein großes Stück leichter. 

00:28:19: Judith: Ja, auf jeden Fall. Sag mal und das alles, was wir hier auch so besprechen, ist auch quasi das, was man so versteht unter Selbstfürsorge, weil das ist ja auch immer ein Begriff, der immer wieder in dem Zusammenhang auch auftaucht.

00:28:32: Miriam: Genau,

00:28:34: selbstfürsorglich mit sich sein und auch da ist es total spannend. Wir gehen häufig mit anderen Menschen sehr viel fürsorglicher um als mit uns. Also wenn wir mal die Ansprache an uns haben, wie wir mit unserer besten Freundin oder dem besten Freund oder mit dem Kind reden,

00:28:48: hätten wir schon viel gewonnen. Denn diese Nachsichtigkeit und dieses Lob auch, ne. Also wir loben Kinder, wieso loben wir uns denn nicht. Also Kinder werden gelobt, wenn sie irgendwie pupsen.

00:28:57: Bei uns sind wir total streng, wenn irgendwas nicht richtig erledigt ist oder wir abends das Gefühl haben, ich habe nichts geschafft. Doch, du hast auf jeden Fall geschafft, aufzustehen. Das ist schon was. 

00:29:11: Für Menschen mit Depressionen ist das ein riesen Thema. Und das zu sehen und zu sagen: "So,

00:29:17: okay, ich habe nach bestem Wissen und Gewissen heute das erledigt, das ich erledigen konnte,

00:29:22: morgen gucke ich noch mal." Judith: Ich habe noch einen Begriff bei dir gelernt: People Pleaser.

00:29:28: Was ist das? Miriam: People Pleaser sind Menschen, die

00:29:32: ihre Bedürfnisse sehr zurücksetzen und um sich gesehen zu fühlen, immer oder sehr oft die Bedürfnisse anderer erfüllen. Das heißt, immer pleasen, immer sozusagen den

00:29:44: Anforderungen und Erwartungen anderer gerecht werden wollen und das ist auf Dauer eine starke Selbstvernachlässigung der eigenen Bedürfnisse und führt auf jeden Fall zu Schwierigkeiten, bis hin zu Depressionen oder eben auch Burnout. 

00:29:59: Judith: Ja und ich glaube, dass viele Lehrer*innen People Pleaser sind. 

00:30:03: Klar, du hast da diese kleinen Menschen oder auch größeren Menschen vor dir sitzen und hast da unglaublich viele Bedürfnisse, die auf dich einprasseln und verstehst das glaube ich auch von dir selbst, ist das dein Selbstverständnis, dass du diesen Bedürfnissen auch gerecht wirst. 

00:30:26: Miriam: Häufig ist ein Nein zu einem anderen oder ein Nein zu einer To Do ein Ja zu dir. Dieser Konflikt, zwischen ich muss es anderen recht machen, bedeutet immer, zu kurz kommen. 

00:30:33: Das kann langfristig keine gute Strategie sein. Judith: So, die Frage ist jetzt sicherlich ein bisschen groß, aber was 

00:30:40: können denn deiner Meinung nach Schulen zu dem Thema mentale Gesundheit machen, vielleicht im eigenen Kollegium so an der Schule, aber eben auch in der Zusammenarbeit mit den Kindern und Jugendlichen?

00:30:54: Miriam: Ich bin der Meinung, dass die mentale Gesundheit immer bei einem selbst anfängt. Das heißt, wenn zum Beispiel

00:31:03: Kurse für Lehrer*innen oder im Kollegium klargemacht wird, wir meditieren auch zwischendurch noch und wenn es nur 3 Minuten sind oder wir machen regelmäßig irgendwie so eine Check-In Runde, dass irgendjemand oder zwei Menschen immer

00:31:23: einmal pro Tag, auch im Wechsel, oder einmal in der Woche dafür verantwortlich sind, sich eine Person im Kollegium auszusuchen, mal zu fragen, wie es geht. Also so ein persönlicher Check-In, weil wir alle es 

00:31:34: brauchen, gesehen zu werden und andere zu sehen. Also dieser Austausch und diese Bindung sind

00:31:38: ganz wichtig für die mentale Gesundheit. Wenn wir das schaffen, auch mit einem tiefen Atmen

00:31:44: in den Klassenraum zu gehen oder den Kindern eben so ein Ritual zu geben, wir starten morgens mit einer

00:31:53: 5 Minuten Runde, wie es uns geht und jeder muss irgendwie nur kurz anhand der

00:31:58: eigenen Wetterlage, bei mir ist es heute sonnig, bei mir ist es heute regnerisch, bei mir ist heute Gewitter, einfach nur dadurch einen Zugang zum eigenen Gefühl zu bekommen.

00:32:08: Das ist ein riesiger Impact oder zwischendurch wahrnehmen, zu sagen: "Oh, 

00:32:13: wir sind gerade müde, da geht gerade gar nichts mehr. Ich merke, es wird unruhig. Wir atmen mal ganz kurz durch. Wir stehen mal alle auf und atmen und setzen uns wieder hin." Allein dieses 

00:32:22: Bewusstmachen, dass bei den Kindern gerade offensichtlich was los ist, weil die nervös sind, weil die unruhig werden, weil sie müde sind, weil sie Hunger haben oder weil es gerade irgendwie ein Thema gibt, das schwierig ist.

00:32:34: Das wahrnehmen und ansprechen, bedeutet, den Kindern in dem Moment schon die Möglichkeit zu geben, das selbst bei sich wahrzunehmen. Was natürlich ein Samen ist, der zu einer

00:32:42: ganz, ganz tollen Pflanze werden kann, weil das Bewusstsein auf Achtsamkeit und damit der mentalen Gesundheit 

00:32:51: extrem fokussiert ist.

00:32:54: Natürlich kann man immer noch mehr machen. Man kann wirklich Achtsamkeitskurse anbieten, dieses Ritualisierte ist eben das wichtige. 

00:33:02: Man kann zwischendurch ein kleines autogenes Training machen oder eine Traumreise. Es geht nicht nur um Grundschule, auch um Ältere. Man kann den Älteren, wenn es in der weiterführenden Schule ist,

00:33:18: regelmäßig Aufgaben geben, um sich mit dem Thema zu beschäftigen oder mal fragen, was ist denn mentale Gesundheit für euch, in welchen Momenten

00:33:25: fühlt ihr euch wohl. Also als Hausaufgabe sozusagen eher mal so eine Aufgabe mitgeben. Was brauchst du eigentlich, um den Tag durchzuhalten? Welcher Arbeitsrhythmus ist für dich sinnvoll? Wann bräuchtest du eigentlich deine erste Pause?

00:33:37: Welches Essen ist für dich gut oder wieso wirst du müde,

00:33:40: wenn du gegessen hast? Also dieses Thema, mal zu gucken, was bringt dir denn was und was brauchst du, um abends eigentlich ein bisschen fitter zu sein als gestern.

00:33:50: Das kann eine große Welle in Gang bringen. 

00:33:52: Judith: Ja und ich finde, dass das Thema auch immer noch an den Schulen viel zu wenig stattfindet, ne. Also man konzentriert sich viel auf andere Themen und vergisst

00:34:03: dieses Thema total, sowohl im Kollegium als auch in der Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen. 

00:34:08: Okay Miriam, wir kommen mal zum Schluss und zum Ende und da habe ich immer noch so drei spezielle Fragen.

00:34:15: Wir starten mit unserer Wünschebox. Wenn es eine Sache gibt, die du im Bereich Bildung ändern würdest, welche wäre das? 

00:34:25: Miriam: Das wäre auf jeden Fall das Thema Zeit. Also ich glaube, der Druck und die Zeit, die für

00:34:36: individuelle Themen oder individuelle Stimmungslagen verwendet wird, ist viel zu klein. Diese kleinen Self-Check-Ins, dieses wenn 

00:34:45: ein Kind unruhig wird, sich die 5 Minuten zu nehmen, zu sagen: "So, komm! Wir gehen mal raus. Das ist eigentlich jetzt ein Thema, was eher privat ist" und mal zu fragen: "So, was ist denn los bei dir?" anstatt zu sagen: "Setz dich hin, du störst."

00:34:59: Wenn mehr Zeit für solche Sachen wäre, hätten wir, glaube ich, langfristig eine sehr viel gesündere Gesellschaft. Das wäre ein großer Wunsch.

00:35:07: Judith: Und dann zu unserer vorletzten Frage. Die kommt von Julia, mit der ich in der letzten Folge der Marktplatzplauderei über sexuellen Missbrauch von Kindern im Netz gesprochen habe.

00:35:18: Wie sollen, können, dürfen, müssen Lehrkräfte die Beziehung zu ihren Schüler*innen gestalten? Wie gehen sie um mit Nähe und Distanz? 

00:35:31: Miriam: Ich glaube, das ist total individuell. Also wenn ein Lehrer oder eine Lehrerin ein Gespür dafür entwickelt, was ein Schüler oder 

00:35:40: eine Schülerin braucht, ist das schon ein riesen Schritt und das mit einer

00:35:46: Gelassenheit und Souveränität und auch mit dieser Vorbildfunktion füllt, wäre das auf jeden Fall ein großer Schritt.

00:35:56: Judith: Ja. Und du darfst dir jetzt auch eine Frage überlegen, die wir unserer nächsten Gästin oder unserem nächsten Gast stellen, ohne dass du weißt, wer das eigentlich sein wird.

00:36:06: Miriam: Ich würde gerne wissen, was die Person konkret im Alltag für ihre mentale Gesundheit tut.

00:36:15: Judith: Fantastische Frage! Ich bin gespannt. Sehr gut! Dankeschön.

00:36:24: Liebe Miriam, vielen lieben Dank für deine Zeit. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag und viel Erfolg mit deiner wertvollen Arbeit. Miriam: Dankeschön. Judith: Und ich würde sagen, wir beide sagen jetzt zusammen tschüss. Ciao! Miriam: Alles klar, tschüss. 

00:36:32: Judith: Lasst es euch gut gehen! Tschüss.

Über diesen Podcast

Herzlich Willkommen bei “Marktplatzplauderei”, dem Podcast von eduki.com/de. Wir haben diesen Podcast ins Leben gerufen, weil wir Lehrerinnen und Lehrern eine Stimme geben wollen. Wir finden, dass man nämlich viel zu wenig darüber redet, was Lehrerinnen und Lehrer tagtäglich für einen geilen Job machen! Wir möchten mehr über ihren Berufsalltag erfahren, ihr sollt mehr über sie erfahren. Wir sprechen über die besonders schönen Seiten im Lehrerjob, aber auch über die Herausforderungen und die z.T. knallharte Realität.
Über Tipps, Tools und best practices …
Ich bin übrigens Judith, selbst ehemalige Lehrerin, arbeite bei eduki, DEM Online-Marktplatz für Unterrichtsmaterialien,
und betreue dort viele, viele Lehrerinnen und Lehrer, die ihre Materialien mit ihren Kolleginnen und Kollegen teilen, sich vernetzen und sich gegenseitig beraten.
Ich freue mich sehr auf viele spannende Marktplatz-Besucherinnen und Besucher, mit denen ich über Schule, Schülerinnen & Schüler, Lernen und zeitgemäße Bildung plaudern kann. Und euch wünsche ich, dass ihr euch bei der “Marktplatzplauderei” abgeholt fühlt, dass ihr am besten das ein oder andere für euch mitnehmen könnt, allein der neue Kontakt zu einer lieben Kollegin oder einem Kollegen. Denn: ein gutes Netzwerk ist oftmals schon die halbe Miete!
Wenn ihr Vorschläge habt, wen wir hier im Podcast mal einladen sollen, dann schreibt gerne an marktplatzplauderei@eduki.com.
Und jetzt gibts was auf die Ohren!!!

von und mit eduki.com/de

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